Ein Interview … – Weltladen Regentropfen

In Dezember hatten wir Besuch von drei Realschülern und ich durfte mich zum ersten Mal als Interview-Partner zum Thema Fair Trade versuchen. Willkommen in der Welt der Siegel und Fairhandelskriterien.

1. Was ist Fairtrade (oder Fair Trade?)

Das blau-grüne Siegel „Fairtrade“ ist wohl das bekannteste Siegel. Man findet es inzwischen auf vielen Produkte im Supermarkt, in Naturkostläden, Online-Shops, ja, sogar beim Discounter. Dieses Siegel steht für fair angebaute und gehandelte Produkte. Bei deren Herstellung wurden bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien eingehalten. Produkte/Händler werden gemäß Fairtrade-Standards zertifiziert.

Allerdings wird euch auffallen, dass ausgerechnet dieses Siegel hier im Weltladen nicht oder fast gar nicht vertreten ist. Warum? Weil wir im Weltladen zum größten Teil mit anerkannten Fair-Handels-Importeure zusammenarbeiten.

Diese anerkannte Fair-Handels-Unternehmen stehen mit ihrer gesamten Unternehmenspolitik hinter den Grundsätzen des Fairen Handels. Sie haben das Wörtchen FAIR sozusagen auf ihrer Fahne geschrieben.

Also bitte beachten: Es gibt zwei Wege für fair gehandelte Produkte

Fairer Handel der Weltläden: unternehmensbezogen = Fair Trade (Unternehmen entlang der Lieferkette arbeiten nach Fair-Handels-Kriterien)

Fairer Handel gemäß Fairtrade: produktbezogen = Fairtrade (Produkte/Händler werden gemäß Fairtrade-Standards zertifiziert)

(für mehr Informationen siehe folgendes Schaubild (hier klicken)

2. Was versteht man unter fairem Handel?

Vom aktuellen Welthandelssystem profitiert nur ein kleiner Teil der Menschheit, während unzählige Menschen – vor allem in den Ländern des Globalen Süden, aber inzwischen auch bei uns auf der Nordhalbkugel – trotz harter Arbeit ums tägliche Überleben kämpfen mussen. Der Faire Handel möchte mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel schaffen, durch bessere Handelsbedingungen und Sicherung sozialer Rechte.

3. Wie funktioniert der faire Handel?

Fairer Handel ist Hilfe zur Selbsthilfe. Kleinproduzenten im Globalen Süden werden gezielt gestärkt. Die Fair-Trade-Bewegung möchte die wirtschaftliche und soziale Situation von benachteiligten Bäuerinnen und Bauern sowie Arbeiterinnen und Arbeitern verbessern. Sie sollen für ihre Arbeit und ihre Produkte angemessen bezahlt werden und eine stabile Existenz aufbauen können.

Zu den wichtigsten Grundsätzen im Fairen Handel zählen unter anderem:

faire Mindestpreise und eine zusätzliche Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte, z.B. Schulen, Gesundheit, Verbesserung der Logistik (simples Beispiel: ein LKW für den Warentransport) etc.
Mitwirkung und Mitbestimmung
langfristige Handelspartnerschaft auf der Basis von Dialog, Transparenz und Respekt
Einhaltung von Arbeitsschutzrechten und Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit.
schonender Umgang mit der Umwelt bei Anbau, Produktion und Weiterverarbeitung
Bildungs- und Kampagnenarbeit für einen gerechten Welthandel

Inzwischen auch immer wichtiger: Mehr Wertschöpfung im Ursprungsland. Der Kaffee wird im Ursprungsland geröstet und verpackt, die Schokolade wird im Ursprungsland hergestellt und verpackt etc.

4. Wer betreibt und kontrolliert den fairen Handel?

Im Forum Fairer Handel sind genau die Akteure wieder versammelt. Wie Ihr sieht ist auch der Weltladen-Dachverband mit über 900 Weltläden in Deutschland dabei. Wir alle zusammen sind getragen von der Vision einer gerechten und nachhaltigen Welt.

Glaubwürdigkeit ist das A und O im Fairen Handel. Seit 50 Jahren gibt es der Faire Handel und viele Handelsbeziehungen funktionieren nur so gut, weil sie vertrauensvoll und in einem Dialog zwischen Partnern aufgebaut wurden.

Aber: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Deshalb hat der Faire Handel im Laufe der Jahre verschiedene verlässliche Kontrollsysteme – so genannte Monitoring- und Zertifizierungs-Systeme – entwickelt. Strikte Standards für Produktion und Handel schützen Menschenrechte und Umwelt. Eine externe Überprüfung sorgt für Sicherheit und Transparenz und schenkt Glaubwürdigkeit für Kunden und Kundinnen.

Beim Weltladen-Dachverband gibt es den sogenannten Katalog anerkannter Lieferanten, ein extra Überprüfungsinstrument für seine Mitglieder. Bei den Anbietern von Produkten wird überprüft, ob ihre Waren und ihre Arbeit den Kriterien des Fairen Handel entsprechen. Die Überprüfung besteht aus einer Selbstauskunft des Lieferanten und eine Überprüfung beim Lieferanten vor Ort.

5. Woher wissen Sie, dass die Bauern/Produzenten auch wirklich ihren gerechten Anteil bekommen?

Copyright: https://www.fashionrevolution.org/tag/who-made-my-clothes/

Bei uns hat jedes Produkt ein Gesicht, jedes Produkt hat eine Geschichte. Das bedeutet, dass Produzenten und Produzentenkooperativen regelmäßig berichten, entweder „live“ bei Besuche hier in Deutschland, auf Messen oder sogar in den Weltläden vor Ort, in Beiträge über YouTube. Die Fair-Handels-Organisationen haben regelmäßig Kontakt mit den Produzentengruppen, nachzulesen und -schauen auf den verschiedenen Websites. Gerade am Weltladentag oder während der Fairen Woche, jedes Jahr in September, gibt es Möglichkeiten mehr über Produzenten und Produzentenkooperativen zu erfahren.

6. Wie erhalten die Bauern ihren Gehalt?

Diese Frage kann man so nicht beantworten. Erstens sind die Bauern ja keine Angestellten, sondern sie sind selbstständig tätig und/oder organisiert in einer Kooperative. Hier wird ein fairer Preis ausgehandelt. Die Mindestpreisgestaltung und die Fairtrade-Prämie wurden ja schon erwähnt und im nächsten Beitrag auf dieser Homepage bei den „10 Grundsätze des Fairen Handels“ noch genauer erklärt.

Der faire Preis ist nicht das einzige und für viele Produzent*innen auch oft nicht das wichtigste Kriterium des Fairen Handels. Langfristige Zusammenarbeit, intensive Beratung und Vorfinanzierung sind oft wichtiger, um langfristige Perspektiven zu ermöglichen und menschenwürdig leben und arbeiten zu können.